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GEBETE

1. DANKGEBET UND HINGABE

Ein Dank dem Herrn für seine Gnade.
Ich möchte sie nicht missen, jene dunklen Jahre,
in denen ich dich, Herr, in so wunderbarer Weise erfuhr.
Ich liebe dich, o Herr!

In Tagen seelischen und körperlichen Leidens hast du mich
gelehrt, dich mit Leib und Seele zu lieben. Du hast mich
die Erfüllung meines leidenschaftlichen Sehnens
nach Frieden und Geborgenheit in dir finden lassen.
Ich liebe dich, o Herr!

Ich liebe dich, Gott Vater, der du deinen heiligsten Willen
an mir und durch mich verwirklichen wollest. Dein Wille
geschehe! Lass mich für deinen Willen immer sensibler
werden, auf dass du durch mein Inneres scheinen mögest
wie durch klares Glas.

Ich liebe dich, Gott Sohn, Jesus Christus. Lass mich immer
mehr begreifen, dass jede Vereinigung mit dir im heiligen Brot
Vereinigung mit dem Kreuz bedeutet.
Lehre mich, es anzunehmen, ja zu lieben!
Du weißt, o Herr, dass mir ein Verzicht auf den Empfang
dieses allerheiligsten Sakramentes unerträglich erscheint.
Denn ich vermeine zu empfinden, dass du
auf diese wunderbarste aller Weisen zu mir kommen WILLST!

Ich liebe dich, Gott Heiliger Geist, der du mich nach dem
Willen des Vaters formst und bildest. Ich danke dir, dass du
mich in Verzweiflung und Ratlosigkeit die Hingabe an dich
gelehrt hast. Ich bitte dich: Vervollkommne meine Hingabe!

Vor dir, o Gott, habe ich gesündigt, dich habe ich beleidigt.
Ich bin es nicht wert, dein Sohn/deine Tochter zu heißen.
Ich danke dir, dass ich meinen Frieden darin finden darf,
dein/e und deiner Kirche Diener/in zu sein.
Ich liebe dich o Herr!
Lass mich dich mehr lieben!

(I.H.)

2. DIE SÜNDERIN UND JESUS

Und er kam in das Haus eines Pharisäers
Und er saß mit ihm zu Tisch,
als eine Frau über seinen Füßen weinte.
Als sie sah, dass seine Füße von ihren Tränen nass waren,
trocknete sie sie mit ihren Haaren.
Mit dem duftenden Öl, das sie gebrauchte,
um für ihre Freier anziehend zu sein,
salbte sie seine Füße
und hörte nicht auf zu weinen.
Und der Pharisäer fragte ihn:
Weißt du nicht, was das für eine ist?
Sie hat ihre Ehe gebrochen
und die vieler anderer!

Und Jesus sagte zu ihm:
Wer wird seinen Gläubiger mehr lieben:
der, dem viel Schuld erlassen wurde,
oder der, der nur wenig schuldig war?
Der Pharisäer kann nicht verstehen –
Und die Frau weint –
und das Haus wird vom Duft des Öles erfüllt.
Wie viel muss ihr vergeben worden sein,
dass sie so große Liebe zeigt!
Welche Kraft und Verantwortung liegt in dieser
verschenkten Vergebung... Rabbuni!

(unbekannt nach Lk 7, 36-50)

3. GEBET UM DEN FRIEDEN

Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
Wer sich selbst vergisst, der findet;
Wer verzeiht, dem wird verziehen;
Und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

(Gotteslob S. 71 Nr.6)

4. ERGEBENHEIT

Dein bin ich, dir geboren –
Was wünschst du, Herr, von mir?
Gib, wenn du willst, Gebetes Kraft,
wenn nicht, gib Trockenheit;
gib Frömmigkeit, die Andacht schafft,
wenn nicht, Vergeblichkeit.
O Majestät, in dir allein
Kann mir auf Erden Frieden sein:
Dein bin ich, dir erkoren –
Was wünschst du, Herr von mir?

Nichtwissen oder Weisheit schenk
um deiner Liebe willen.
Im Überfluss ich dein gedenk,
im Hunger, nicht zu stillen.
Schick Finsternis, schick helles Licht,
wenn nur dein Wille in mir spricht!
Dein bin ich, dir geboren –
Was wünschst du, Herr, von mir?

(Teresa von Avila)

5. NACH GOTT SUCHEN

Gott spricht:
O Seele, suche dich in mir,
und, Seele, suche mich in dir.

Die Liebe hat in meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar;
kein Maler lässt so wunderbar
o Seele, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier:
Bist du verirrt, bist du verloren:
O Seele, suche dich in mir.

In meines Herzens Tiefe trage
ich dein Portrait, so echt gemalt;
sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen mich nicht findet,
dann such nicht dort und such nicht hier:
Gedenk, was dich im Tiefsten bindet,
und, Seele, suche mich in dir.

Du bist mein Haus und meine Bleibe,
bist meine Heimat für und für:
Ich klopfe stets an deine Tür,
dass dich kein Trachten von mir treibe.
Und meinst du, ich sei fern von hier,
dann ruf mich, und du wirst erfassen,
dass ich dich keinen Schritt verlassen:
und, Seele, suche mich in dir.

(Teresa von Avila)

6. GOTT ALLEIN GENÜGT

Nichts verwirre dich,
nichts erschrecke dich,
alles vergeht.
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erreicht alles.
Wer sich an Gott hält,
dem fehlt nichts.
Gott allein genügt.

(Teresa von Avila)

7. GEDANKEN ÜBER DAS „DU“

Welche Zärtlichkeit liegt im Du.
Mit wie viel Liebe und Vertrauen ist es erfüllt.
Welche Nähe zwischen Menschen kann es ausdrücken.
Wie sehr kann das Du im Wir verschmelzen.

Welcher Hass kann im Du liegen.
Wie viel Verachtung, Spott und Verletzung kann es vermitteln.
Welche unüberwindbaren Gräben öffnen sich im ablehnenden Du.

Und dann gibt es ein Du – für uns fast unbegreifbar.
Ein Du, das immer da ist.
Erfüllt von einer nie enden wollenden Liebe.
Zärtlichkeit und Vertrauen ausströmend.
Von einer Nähe, deren Intensität wir nur erahnen können.
Ein Du, das hält und trägt.
Das in uns ist und uns das Ich verlassen heißt.

(G.Heimhofer)

8. VERTRAUEN

Mein Gott,
Ins Dunkle hast Du mich geführt,
ich dachte, weit weg von Dir.
Bis ich sah,
dass Du genau dort bist.

Ich suchte Dich im Licht, am Tag,
ich fand Dich nicht.
Ich glaubte, Du hattest mich von Dir weggestoßen,
bis ich Dich erkannte
in den langen Nächten,
in der Einsamkeit,
in der Trostlosigkeit.

Da bist Du plötzlich dagestanden!
Ich erkannte Dich nicht gleich,
fragte: „Wer bist Du?“,
und Du: „Ich bin der, den du suchst,
ich bin hier, da, bei dir.“

Ich weinte und Du hast meine Tränen mit Deinen Händen getrocknet.
Ich wieder zu Dir: HERR, was soll ich tun?“
Und Du: „Geh mir einfach nach, ich bin an deiner Seite.“
Ich fragte Dich, ob es irgendwann auch heller wird.
Du hast gesagt: „Nein, ich führe dich in die Dunkelheit,
aber hab keine Angst, ich bin bei dir.“

Ich hab Dir meine Hand gegeben und gesagt:
“Mein Gott, ich kann Dir nicht glauben.“
Und Du hast nur gemeint: „Es ist egal,
nur, komm einfach mit
und dreh dich nicht mehr um.“

(Marika Steinkellner)

9. SEHNSUCHT

Nach Psalm 119, 81-82

„Nach deiner Hilfe sehnt sich meine Seele,
ich warte auf dein Wort.
Meine Augen sehnen sich nach deiner Verheißung,
sie fragen: Wann wirst du mich trösten?“

Die Einsamkeit droht mich heute zu erdrücken.
Ich bin verlassen, fühle mich ausgeliefert,
alles erscheint sinnlos und leer.
Die Stille ist unerträglich und wird ein riesiges, schwarzes Loch.
Wie stark ist die Sehnsucht nach einem tröstenden Wort,
einer zarten Berührung, einem verstehenden Blick, nach Geborgenheit und
Sich-verstanden-Wissen.
Ich fühle mich genauso verlassen, wie Jesus am Kreuz.
Die selben Worte kommen über meine Lippen:
mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

(G.Heimhofer)

10. DEMÜTIGUNG

Nach Psalm 119, 67-71

„Ehe ich gedemütigt wurde, ging mein Weg in die Irre.
Nun aber halte ich mich an deine Verheißung.
Du bist gut und wirkst Gutes.
Lehre mich deine Gesetze.
Stolze verbreiten über mich Lügen,
ich aber halte mich von ganzem Herzen an deine Befehle.
Abgestumpft und satt ist ihr Herz,
ich aber ergötze mich an deiner Weisung.
Dass ich gedemütigt wurde,
war für mich gut;
denn so lernte ich deine Gesetze.“

Mit welcher Gewalt musst Du manchmal Menschen zu Boden werfen,
ehe sie den rechten Weg erkennen!
Wie viele Verletzungen der Seele sind notwendig,
um zur Einsicht zu kommen!
Wie viele Narben lassen diese Verletzungen zurück und manche Schmerzen ein ganzes Leben lang.
Wie schwer fällt die Einsicht!
Wie lang ist der Weg in die Irre!

Und doch findet die verirrteste Seele und der Entfernteste
bei Dir Zuflucht und Trost.

(G.Heimhofer)

11. WUNSCH NACH ANERKENNUNG

Es gibt Menschen, die bekommen
niemals ein anerkennendes Wort,
niemals ein freundliches Lob.
Sie machen die mühsamsten Arbeiten
und jeder findet das selbstverständlich.
In aller Stille tun sie tausend Dinge im Haus, im Büro, im Betrieb.
Und da ist keiner, der das sieht.

Aber wenn es einmal nicht geschieht,
oder wenn sie einen falschen Schritt tun,
dann hat es jeder gesehen.
Die Fehler werden ihnen vorgezählt
und ihnen auf den Rücken gebunden.
Zu viele Menschen gehen darum
gebückt in einer Gesellschaft,
die nicht fragt nach Hilfsbereitschaft und Güte,
Zuverlässigkeit und Treue.

Zu viele Menschen fühlen sich ausgenützt und abgeschrieben.
Sie haben keine Arbeitsfreude mehr und auch keine Lebensfreude.
Niedergedrückte Menschen sitzen fest
und wissen nicht mehr weiter.

Sie müssen Flügel bekommen.
Mit Flügeln wird das Leben leichter.
Mit Flügeln wird alles beschwingter.
Ein anerkennendes Wort kann sie beflügeln.
Lob ist wie eine Feder.
Von Zeit zu Zeit ein Lob,
und Menschen bekommen Flügel.

(Phil Bosnans)

12. LIEBE PUR

Wie wenig Worte ein Kind braucht,
um in das Herz einer Mutter einzudringen.
Wie viel Gefühl ein Kind in sich trägt, um zu erkennen,
dass auch das Herz einer Mutter traurig ist.
Wie viel Liebe verbindet Mutter und Kind!

Wie sehr hat Gott sich selbst in diese Liebe eingebracht!

(G.Heimhofer)

13. TRAUER

Lass deine Trauer zu, bis in die tiefste Faser deiner Seele.
Koste die schmerzlichen Erfahrungen aus.
Lauf nicht davon.
Stell dich deinen Problemen.
Mach dich nicht besser, als du bist.
Nimm deine Schattenseiten an.
Es ist einer da, der dich genauso annimmt, wie du bist.
Leg IHM alles hin und ER wird dich heilen.

(G.Heimhofer)

14. DER LIEBE GOTTES TRAUEN

Deiner Liebe trauen und
mich aussetzen der Dunkelheit
und Ausweglosigkeit
und das Licht in weiter Ferne erahnen

Deiner Liebe trauen und
mich einlassen auf Ohnmacht
und Hilflosigkeit
und deine bergende Hand erspüren

Deiner Liebe trauen und
dabei bleiben bei Schmerz und Qual
und einen Sinn im Ganzen erhoffen

Deiner Liebe trauen und
mich fest machen lassen an Realität
und Sachzwängen
und das Geheimnis des Lebens
nicht verraten

Deiner Liebe trauen und
an das Leben glauben
weil Einer mitgeht
der DA IST
und dessen Liebe
den längeren Atem hat

(Sr.Ruth Schönenberger OSB)

15. MUTLOSIGKEIT

Wie oft im Leben hätte man ein bisschen m e h r Mut gebraucht,
um die Angst zu besiegen,
um die eigene Meinung zu vertreten,
um für eine gute Idee einzustehen,
um sich von den dunklen Schatten zu lösen,
um ganz einfach nur leben zu wollen,
oder auch,
um sich für Gott zu entscheiden.

Herr, hilf uns aus unserer Mutlosigkeit.

(G.Heimhofer)

16. EINSAMKEIT

Bist Du einsam, weil du meinst, dass dich keiner liebt?
Bist du einsam, weil du andere erdrückst mit Worten oder Gefühlen?
Bist du einsam, weil alles um dein eigenes Ich kreist?
Bist du einsam, weil du alle aus deinem Herzen aussparst, sogar Gott?
Verlass deine Einsamkeit und wende dich dem DU zu
und auch du wirst die Fülle des Lebens haben.

(G.Heimhofer)

17. AUSWEGLOSIGKEIT

Die Grenzen der Belastbarkeit sind schon längst überschritten und man glaubt, dass es nicht mehr viel Schlimmeres geben kann, das einen noch treffen könnte.
Und doch kommen täglich neue Lasten, Probleme und Enttäuschungen. An manchen Tagen reicht die Kraft nicht einmal mehr aus, um zu bitten.

Niedergeworfen durch ungelöste Probleme, bittere Erfahrungen, eigenes Versagen, Krankheit, Einsamkeit
findet man keinen Ausweg mehr.

Herr, reich mir Deine hilfreiche Hand und zeig mir Deine Güte.
All meine Hoffnung bist Du.

(Anonym)

18. DU HAST MICH BERÜHRT

Es war wie ein tobender Sturm
Mein Gott, warum hast Du mich verlassen

Es war die völlige Finsternis
Mein Gott, warum hast Du mich verlassen

Es war der zerstörende Hass
Mein Gott, warum hast Du mich verlassen

Herr, es war wie ein zarter Windhauch
Du hast mich berührt

Herr, es war wie ein wärmendes Licht
Du hast mich berührt

Herr, es war wie ein liebender Blick
Du hast mich berührt

(G.Heimhofer)

19. WEIHNACHTLICHE GEDANKEN:
IST DER WEG NACH BETHLEHEM DABEI?

Aus dunkelster Nacht und Finsternis,
aus allen Abgründen der menschlichen Seele
und aus tiefster Seelennot
hast DU mich geholt.
Wie mattes Kerzenlicht
Wärme und Helligkeit in einen Raum bringt,
so begannst DU in mir zu leuchten.

Dann war ein kleiner Stern sichtbar –
fern, aber doch hell.
Der Stern wirft sein Licht auf den Weg,
holprig, voll großer und kleiner Steine,
uneben, mit Löchern durchsetzt, Konzentration fordernd.
Er wird begehbar durch das Leuchten des Sternes –
oder waren da nicht auf einmal viele Sterne?

Zusehends wurde es heller,
und plötzlich war der Weg trotz aller Hindernisse zu begehen.
Verschlungen ist er, anfangs unergründlich, geheimnisvoll,
voller Überraschungen, spontane Entscheidungen fordernd, manchmal scheinbar ziellos, ermüdend, Kräfte raubend, entmutigend.

Und dann verschwanden die Sterne ,
und die Finsternis brach erbarmungslos herein,
jede Hoffnung raubend.
Wieder zurückgeworfen auf sich selbst – ohne erkennbares Ziel, allen Wirrnissen ausgeliefert,
aber erfüllt durch die Erfahrung, dass es Licht gibt.

Auch am Ende der dunkelsten Nacht bricht der Tag an.
Es wird wieder Licht.
Die Nebel der Unkenntnis schwinden
durch die Helligkeit des Tages.
Sicherheit kehrt zurück,
die Schritte können wieder bewusst gesetzt werden.

Plötzlich bricht ein noch viel helleres, wärmenderes und strahlenderes Licht in den Tag: die Sonne.
Alles, ja denkbar alles erstrahlt in einem neuen Licht.
Leben beginnt, die Welt erblüht,
Wärme kommt in die Menschen –
ER ist da! Weihnacht!
Spürbar, erlebbar, erfühlbar, ja sogar greifbar – begreifbar.
ER erstrahlt in unserem Leben gleich der Sonne über der Welt.

Die Nacht, die Finsternis, die Abgründe, die Seelennot,
sie kommen wieder im Zyklus der Zeit und des Lebens,
aber sie haben keine Kraft mehr, weil uns die Sonne gewärmt hat.
ER ist in uns und bei uns.
Seine Wärme, Seine Liebe, das Gefühl, in IHM geborgen zu sein,
nimmt allem Negativen und Dunklen die Macht.

Versuch auch du, den Herrn zu erspüren,
in den tiefsten Fasern deines Herzens!
ER sucht auch dich.
Lass dich von IHM finden.
Werde auch du zur Sonne.
Nimm das Geschenk an, das uns vor 2000 Jahren
im Stall von Bethlehem in die Wiege gelegt wurde.
Gott ist Mensch geworden!
Für jeden von uns!

(G.Heimhofer)

20. MEIN LEBEN VOR DIR

mein gott
ich kann dich nicht bitten
ich weiß nicht worum
ich bringe mein leben vor dich
dass du es drehst
dass du mich befreist
ich kann es nicht
ich kann nicht

stimmen
hervorgeholt
von denen, die sie in mich legten
immer wieder
hervorgeholt
durch das gleiche, wie zuvor
nichts geändert
alles gleich
meine gefühle
meine erstarrung von früher
hervorgezerrt
durch dasselbe
meiner erzeuger und gebärer:

was soll ich sagen?
soll ich sagen:
meine erzeuger legten die schlinge um mich
und zogen mich hinab
gefangen in einer spirale
die führt in die tiefen der leblosen

mein gott
bei den toten
da lobt man dich nicht
im grabe
da kennt man dich nicht

was rettest du mich nicht?
wie soll ich dich preisen
mein gott
unter toten
wie soll ich von dir singen
mein gott
ohne stimme
wie von dir sprechen
ohne leben
die toten preisen dich nicht
sie wissen nichts von dir

in diesen tiefen
mein gott
wenn alles heraufsteigt
was sich ausruhen sollte
wenn sich entzweit von mir
was mit mir leben sollte
wenn mich führt
was nicht über mir stehen sollte:

die angst vor macht
und ohnmacht vor gewalt
todesangst zur erstarrung geworden
und ausgenutzte unterlegenheit des schwächeren
gedemütigte hoffnungen
und ausgelachte sehnsüchte
wünsche in drohungen erstickt
und jedes geheimnis an die öffentlichkeit gezerrt
kein recht auf etwas eigenes
kein recht auf etwas intimes
sinnlos versteckte tagebücher
erpressung und liebesentzug
zur befriedigung anderer gebogen
und schläge für nichts

wenn der erzeuger sich suhlt in deinem versagen
und sich gerechtfertigt fühlt in deinem scheitern
wenn er sich stärkt an deinen schwächen
und sich salbt mit deinen Tränen
wenn ein atem dich bedroht
berührung zur widerwärtigkeit wird
und du benutzt bist nach dem verlangen derer, die macht haben

dann ist
niemand da, wo du dich ausweinen könntest
nur stille vorwürfe der anderen:
„deine erzeuger sind gold“

und dein erzeuger behält recht:
für eine träne
ein schlag ins gesicht
für ein ehrliches wort
der entzug von geborgenheit
und für ein ICH:
verachtung

...und irgendwann war ich unwissend darüber
was ich fühle
was ich will
ich oder die stimme
unfähig der unterscheidung
kein eigenes leben in mir
durch keinen eigenen willen geprägt
belebt durch die lüste der anderen
nichts zurückgeblieben in mir, was ich mein selbst nennen würde,
bin ich der wille derer, die über mich bestimmen
nicht lebe ich, sondern sie leben durch mich
tot für mich selbst

was ich war
geschlagen
was ich fühlte
überführt in fremde Lust
was ich nicht wollte
in schuld gewandelt
was ich wollte
gelöscht

gepriesen meine geschwister in den himmeln
das glück habend
mit vater und mutter zu sein

nenne nicht vater deinen erzeuger
nenne nicht mutter deine erzeugerin
denn:
deine mutter und dein vater sind die himmel über dir
deine mutter und dein vater sind die himmel mit dir
deine mutter und dein vater sind die himmel in dir

Amen

(Marika Steinkellner)


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